Ein "Gaisburger Marsch" durch den Stuttgarter Osten
20. April 2024 – Silvia
Bei unserer Tour mit dem Stadtführer Herbert Medek erwarteten uns im Stuttgarter Osten wieder interessante Einblicke. 19 Ciao'ler und eine Gastteilnehmerin machten sich vom Ostendplatz auf den Weg in die Ostheimsiedlung, um dort, beeindruckt von der architektonischen Vielfalt, mehr über die Hintergründe des Arbeiterwohnungsbaues zu erfahren.
Der Bankier Eduard Pfeiffer brachte die Ideen zur Verbesserung der Wohnsituation für Arbeiterfamilien aus England mit und gründete 1892 den "Verein für das Wohl der arbeitenden Klasse". Das Ziel: von den Mietskasernen weg und hin zu einer Gartenstadt zu kommen. Die Mehrfamilienhäuser verfügten über eigene Nutzgärten zur Selbstversorgung, heute wachsen dort überwiegend Rasen und Blumen und sie dienen der Erholung und zum Spielen.
Es folgten 27 weitere Siedlungen, u.a. auch für bestimmte Berufsgruppen, wie die Gasarbeiter.
Wenig später kamen wir am Geburtshaus des früheren Stuttgarter OB Manfred Rommel (*24.12.1928) vorbei, wo dieser seine beiden ersten Lebensjahre verbrachte.
Wie viele andere Bauwerke in diesem Viertel entstand auch die Lukaskirche in Klinkerbauweise, zusätzlich wurde bei ihr Sandstein verbaut.
Diese Kirche war Kulisse der Fernsehserie "Pfarrerin Lenau" in der Walter Schultheiß mitwirkte. Dass am Ostendplatz früher über eine Metallplatte die Möglichkeit bestand die Straßenbahn zu drehen um die Fahrtrichtung zu ändern, war ein weiteres Highlight.
Weiter gings mit Einblicken in die vielfältige Stuttgarter Schokoladenfabrikation: wer kennt nicht Tobler,Eszet, Waldbaur, Moser-Roth, Haller und Schoko-Buck.
Von der 1971 stillgelegten Straßenbahnhauptwerkstatt, die nun das Theater im Depot, Musikschule, Jugendhaus und Kita beherbergt, marschierten wir zum Leo-Vetter-Bad. Die Wohnungen verfügten bis zum 2. Weltkrieg zwar über Küche und Toilette, aber hatten kein Bad. Leo Vetter gründete den Stuttgarter Bäderverein der sich um die Einrichtung von Wannenbädern kümmerte, heute befindet sich dort immer noch ein attraktives Hallenbad.
Wir überquerten die allseits bekannte und verkehrsreiche Wagenburgstrasse um kurz darauf in eine grüne Oase, dem Klingenbachtal, einzutauchen. Ein leichter Anstieg führte uns zur Herz-Jesu-Kirche mit einem romanischen Campanile und Altar von Otto Herbert Hajek.
Wir erfuhren, dass Gaisburg einst das "St. Pauli" Stuttgarts war. Es gab sage und schreibe 40 Besenwirtschaften. Das große Gebäude vor dem wir Halt machten, war früher die Wirtschaft "Bäckerschmiede". Es heißt, eine große Gruppe von der Kaserne kommender Soldaten veranlassten die Wirtin alles zusammen zu werfen was sie vorrätig hatte - so entstand das Gericht "Gaisburger Marsch".
Es folgte Wissenswertes über die Wagenburg, ein gut erhaltenes Sühnekreuz von 1286, das älteste Haus Gaisburgs: eine Zollstation Amsterdam - Venedig, den vermeintlichen Menschenfresser "Wakamba", dem Architekten Martin Elsässer, der mit 25 Jahren die Stuttgarter Markthalle baute und wissen nun, dass das höchste Bauwerk Stuttgarts der Gaskessel ist.
Nach einem Blick auf den 1922 errichteten Schlachthof und das heutige Schweinemuseum mit seinen 50.000 Exponaten, gings weiter durch die Gasarbeitersiedlung, die Straßenbahnersiedlung und die Raitelsbergsiedlung. Auf einer Anhöhe ereichten wir die Villa Berg, die Sommerresidenz des späteren Königspaares Karl und Olga. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude vom SDR übernommen und ein Sendesaal eingebaut. Weitere Verkäufe und Planungen folgten. Ob hier jemals ein Musikhaus, eine Galerie oder Gastronomie entstehen wird, steht in den Sternen. Der Rosengarten der Villa wurde von den städtischen Gärtnern jedenfalls wieder ganz gut in Schuss gebracht.
Unser Restaurant "Buschpilot" schon im Blick, erfuhren wir noch etwas über die Maschinen- und Kesselfabrik G. Kuhn im Stadtteil Berg und den Berger Adel. Nach einem interessanten und spannenden Tag, an dem es auch an Anekdoten unseres Guides nicht mangelte, genossen wir unter anderem das zum Motto unserer Führung passende Gericht: Gaisburger Marsch!
Schön, dass wir bereits am 20.07.2024 die nächste Führung mit Herrn Medek haben (Die Kalten Schönen), sichert Euch jetzt schon einen Platz!